Gorafe - Dolmen, Hünengräber, Höhlen und heiße Quellen

Eine Landschaft, wie man sie in Amerika oder Australien vermuten würde – weite Hochplateaus und dazwischen tiefe Canyons aus rotem Lehm, der sich blutrot färbt, wenn die Sonne untergeht. Solche spektakulären Wüstenlandschaften findet man im Norden der Provinz Granada nahe der Stadt Guadix.

Die bergreiche, trockene Gegend heißt Hoya de Guadix und ist Teil des Gebirgszuges der Betischen Kordilleren, wo Andalusien scheinbar zur Wüste und Einöde wird. Doch wie so oft liegt im Detail die Vielfalt. Was aus dem Flugzeug oder beim Vorbeifahren nach schroffer Lehmwüste aussieht, ist bei genauerem Hinsehen ein faszinierendes Naturkunstwerk.

Hoya de Guadix - Gorafe, Guadix (Granada)

Tausende Jahre Erosion, Klimawechsel und der Zahn der Zeit haben hier eine beeindruckende Canyonlandschaft geschaffen.Wenn man im Dorf Gorafe, das tief im Canyon liegt, den kleinen Bach Río Gor, der einmal ein reißender Strom gewesen sein muss, überquert und sich hinauf auf die bis zu 150 Meter hohen Felswände quält, lässt sich plötzlich erkennen, was hier in Millionen von Erdjahren geschehen sein muss.

Eingekerbt in die Lehmschichten hat sich der einstige mächtige Fluss von Nord nach Süd in die Erdkruste geschnitten und die Erdspalte weiter ausgedehnt. So ist das Hoya de Guadix entstanden - ein zerklüftetes Gelände aus Mergel-, Schluff-und Sandstein, das auch als die Badlands von Andalusien bezeichnet wird.

 Blick über den Tellerrand im Canyon vom Dorf Gorafe - Gorafe, Guadix (Granada)

Nicht viele Menschen leben hier und es scheint, als könnten nur die hartnäckigsten Charaktere den extremen Temperaturen und kargen Vegetation trotzen. Die Menschen aus Gorafe sind fast ausnahmslos Bauern und von der herzlichsten und ehrlichsten Sorte.

Wegen der heißen Sommer und der kühlen Winter haben sich die Menschen hier Höhlenwohnungen in die Lehmschichten gekratzt. Da ist das Klima besser erträglich. Ein Großteil der rund 600 Bewohner in Gorafe lebt in solchen Höhlenwohnungen unter der Erde.

Gorafe ist ein 6000 Jahre altes Höhlendorf. Gorafe, Guadix (Granada) 

Schon im 12. Jahrhundert hatten die islamischen Almohaden Zuflucht vor den Christen gesucht und die Höhlensiedlung Cuevas de Algarve in 150 Meter Höhe in den Felsen angelegt. Die Eingänge zu den Höhlen konnten nur schwer mit Leitern erreicht werden und im Inneren befinden sich ausgefallene Labyrinthe. So konnte man sich vor Feinden schützen.

Tief in das Gestein hinein wurden Gänge, Kammern und Säle gehackt, mit weißer Kalkfarbe gestrichen und Türen und Fenster in die Vorderfront der Felsen eingebracht.Wenn Feinde nahten, zogen die maurischen Flüchtlinge einfach die Strickleitern hoch und waren geschützt.

Der arabische Name des Dorfes Gorafe lautete Gaurab, was so viel heißt wie “hohe Zimmer” und sich eben auf diese unerreichbar hoch angelegten Wohnhöhlen bezieht. Nach maurischer Tradition wurden diese hoch gelegenen Höhlen zudem als Kornkammern genutzt. Im Süden von Tunesien werden heute noch Höhlen nach dem gleichen Muster wie in den mittelalterlichen Höhlen von Gorafe zur Lagerung von Saatgut wie Bohnen, Kichererbsen oder Korn gebaut.

Wanderweg entlang an Thermaquellen. Hoya de Guadix (Granada)

Zwischen den Lehmfelsen finden Bauern immer wieder Platz, um ihre Olivenbäume anzupflanzen. Wasser aus Quellen wird in Kanälen - den sogenannten acequias - durch die Landschaft geleitet. 

Gorafe ist die größte Megalithgrabstätte Europas 

Gorafe ist nicht nur als ein Dorf mit Höhlenwohnungen, sondern vor allem für seine uralten Megalithgrabstätten berühmt. Auf den Felsen in Höhe des Plateaus befindet sich die größte Ansammlung an Dolmen und Megalithgräbern Europas – alle dicht gedrängt und mit toller Sicht auf den Canyon.

Dolmengrab an der Grabstätte Majadillas Gorafe 

Niemand weiß genau, wie lange die Menschen schon in Gorafe leben, aber dass der Ort seit der Frühgeschichte besiedelt war, daran gibt es keinen Zweifel. Erste Siedlungsspuren sind 30.000 bis 50.000 Jahre alt. 

Im Dorf Gorafe beginnt die Ruta del Megalitismo (Tour durch die Steinzeit), die durch die Felder und Flusslandschaft zu den Grabanlagen führt. 240 aus schweren Steinplatten errichteten Dolmen sind hier in der Landschaft verteilt. Viele imposante Exemplare sind noch gut erhalten. 198 Grabstätten wurden von Archäologen katalogisiert und mit Namen und Nummern versehen und in zehn Gruppen (Nekropolis) eingeteilt.

 

Dolmen am Grabkomplex Majadillas - Gorafe, Guadix (Granada)  

Ausflug in die Geschichte: Entdeckung der Hünengräber von Gorafe

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Dolmen, die den hiesigen Bauern schon seit Generationen bekannt waren, durch spanische Wissenschaftler offiziell entdeckt. Der belgische Bergbauingenieur und Spanienforscher Louis Siret ließ einen Großteil der Dolmen Ende des 19. Jahrhunderts freilegen (nahe des Dorfes Los Angosturas, das bis heute eine bedeutende archäologische Fundstätte der späten Steinzeit ist).

Auch deutsche Archäologen waren in diesem vergessenen Winkel Andalusiens unterwegs. Die Forscher Georg und Vera Leisner untersuchten um 1930 die Grabstätten bei Gorafe, stellten allerdings bereits die Zerstörung vieler Fundstätten fest.

Die meisten Gräber stammen aus dem mittleren bis späten Neolithikum (2800- 2600 v. Chr) und der Kupfersteinzeit (2400 - 2200 v. Chr.) Es wird angenommen, dass hier 600 Jahre lang durchgängig gesiedelt und Menschen bestattet wurden. Angelegt wurden die Gräber in verschiedenen Formen: trapezförmig, fünfeckig, rechteckig, quadratisch oder polygonal. Die neolithischen Völker aus Guadix sollen Agrar- und Weidewirtschaft betrieben haben, also teilweise bereits sesshaft gewesen sein, während sonst noch viele Stämme in Europa nomadisch lebten.

View over valley of Rio Fardes
 

Neben den Fundstätten von Los Millares in Almeria gelten die Dolmen von Gorafe als die wichtigsten Steinzeitgräber auf dem iberischen Halbinsel. Es werden hier noch weit größere Grabanlagen vermutet, die allerdings durch die Jahrtausende lang betriebene Bewirtschaftung der Felder zerstört worden sind. So ist denn Gorafe und seine wilde Canyonlandschaft vor allem für Archäologen und Geologen interessant. Aber auch Naturfreunde und Radfahrer lieben die einmalige Landschaft.

Die betörende Schönheit der andalusischen Badlands 

Wenn man das Hochplateau mit den Dolmen über einen schönen, kleinen gewundenen Pfad erreicht hat und hinunter in das Tal blickt, kann man sich vorstellen, wie es hier früher ausgesehen hat. Vor 5000 Jahren waren die Böden dieser Wüste noch sehr fruchtbar und es gab ausreichend Wasser für die Kultivierung von Getreide. Die Region gilt als eine der am frühesten besiedelten Ecken Europas.  

Gorafe - Wanderpfad zu den Dolmengräbern. Guadix (Granada) 

Wilde Pferde, Stiere, Bergkatzen, Rehe, Hirsche und Wildschweine streiften durch das grüne Tal. Es gab auch Raubtiere wie Wölfe, iberische Luchse und Braunbären und Adler und Geier kreisten am Himmel. 

Folgt man dem Wanderweg oberhalb der Grabanlagen von Majadillas, erreicht man plötzlich die Felskante und steht auf der weiten Ebene des Hochplateaus. Von Gorafe und den in der Tiefe liegenden Feldern ist nichts mehr zu sehen. Am Horizont erheben sich die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada.

Oberhalb des Plateaus erhebt sich die Sierra Nevada 

Obwohl die Gegend von oben karg und unwirtlich aussieht, findet sich zuweilen eine erstaunliche Vielfalt an Flora und Fauna in kleinen schattigen Schluchten. Auf den Hügeln wächst das typische andalusische Hartgras (Asparto) und wilder Thymian und Ginster.

In den Gärten gedeihen Feigen, Oliven, Mandeln und Felder mit Gerste und Hafer. An den Flussläufen werden Pappelwäldchen angepflanzt, die zwischen den roten Bergen grün leuchten. Ein herrlicher Anblick ist dieser Farbkontrast vor allem im Frühjahr.

Was gibt es noch zu sehen in Gorafe?

Gorafe liegt an der wunderschönen Landstraße GR-6101, die sich von Guadix aus durch die Canyons windet. Das Dörfchen Gorafe hat einige Restaurants und Bars, auch eine Bank und kleinen Supermarkt zu bieten. Zu empfehlen ist die Posada Los Guiles mit der freundlichen Wirtin Rosalia, die auch nachts noch etwas zu essen auftischt, wenn man überraschend vor der Tür steht.
 
In der Bar Mesón Ilusión kann man in netter Gesellschaft Bier oder Wein mit Tapa für Kleingeld schmausen und sich unter die Einheimischen mischen. Wenn alle Stricke reißen, gibt es noch den Klub der Senioren, El Hogar del Pensionista, wo es ebenfalls immer etwas zu essen gibt.
 
Die hübsche Dorfkirche aus dem 18. Jahrhundert Nuestra Señora de la Anunciación ist einen Besuch wert.
Sonst geht es eher schläfrig zu in Gorafe. Esel brüllen, Hähne schreien, Kinder spielen Fußball, streunende freundliche Hunde freuen sich über Fremde. 

Meeting a local dog in Gorafe
 

Gleich unterhalb der Kirche befindet sich das Informationszentrum für Megalithkultur CIMCentro Interpretacion Megalithico, das allerdings zu aberwitzigen Zeiten geöffnet ist. Nur genau (nicht zwischen!!) 11 oder 16 Uhr gibt es Einlass.  

Iglesia de Nuestra Señora de la Anunciación in Gorafe. Guadix (Granada) 

Das kleine Museum wurde 2011 eröffnet und wurde im traditionellen Wohnstil Gorafes in einer Höhle errichtet und durch moderne Elemente ergänzt. Auf dem Dach des Museums befindet sich eine Aussichtsplattform, von wo man eine spektakuläre Sicht auf die umliegende Landschaft mit den Megalithgräbern hat.

 

Heißes Heilwasser aus dem Erdreich -  Balneario Alicún

 Balneario de Alicun - Heilbad mit Thermalwasser

Etwa 9 km nördlich von Gorafe liegt ein Felsgebiet, wo sich heiße Quellen aus dem Erdinneren den Weg an die Oberfläche bahnen. Hier befindet sich das Balneario Alicún de las Torres. Dies ist ein Heilbad mit warmem Thermalwasser, das in natürlichen Pools und Planschbecken aufgefangen wird. Im Kurhaus kann man übernachten und Heilbehandlungen ausnutzen.

Wer kostenlos in der freien Natur in dem Heilwasser baden will, kann auch den kleinen Wanderweg, der vom Kurhaus aus um die Felswände herumführt, entlang pilgern und den uralten Wasserkanälen (acequias)  folgen. Die Kanäle führen Felsen oder auf Steinmauern entlang und nutzen das Gefälle aus, um das Wasser ins Tal leiten. Ab und an bilden sich breitere Becken, in die man sich hineinlegen kann.

Warmes Thermalwasser fließt in Kanälen durch die Landschaft 

Ein traumhafter Spaziergang entlang an den Wasserkanälen und farnbewachsenen Felswänden gibt einen weiten Blick über die Canyons und die Olivenhaine und Pappelwäldchen frei. Der rund 25 minütige Wanderweg ist ein echtes Naturerlebnis. An einer Kurve zweigt sich der natürliche Wasserkanal ab und stürzt ins Tal hinab. 

 Green valley in Villanueva de las Torres

Etwas oberhalb des Wanderweges finden sich weitere Zeugnisse der Steinzeitkultur aus der Region. Auf dem Kalksteinplateau sind einige Dolmen aus dem Megalithikum zu sehen. Wer genauer hinschaut, kann mit etwas Glück noch tausendjährige Tonscherben entdecken. Die Gräber können vom Kurhotel Reina Isabel aus über die Landstraße zu Fuß erreicht werden.

 Baden im Thermalwasser und Blick hinab ins Tal

 

 

Informationen für Touren durch Gorafe:

Es gibt mehrere Wanderrouten, die zu den steinzeitlichen Grabanlagen führen:

  • Majadillas (Mittlere Kupferzeit)
  • LLano de Olivares (Spätes Neolithikum)
  • Hoyas del Conquín (Mittlere Kupferzeit)

Andere Wanderwege führen zu den mittelalterlichen Wohnhöhlen Algarve, zum Castillo des Dorfes und zur Aussichtsplattform am Museum. Im Ort sind Wegweiser und Hinweistafeln aufgestellt.

Tipps für die Erkundung des bergigen Geländes:

Tragen Sie Wanderschuhe, einen Sonnenhut und nehmen Sie viel Trinkwasser und Snacks mit. Im Sommer besser die heiße Mittagszeit vermeiden. Auf den Wanderrouten zu den Dolmen gibt es nur wenig Schatten. Kleine Kinder an die Hand nehmen, denn es geht oft steil bergauf und bergab.

Im Rathaus und im Infozentrum des Megalith-Themenparks CIM kann man sich Landkarten und detaillierte Beschreibungen der Routen und Megalithgräber kostenlos geben lassen.

Weitere Informationen sind im Rathaus von Gorafe erhältlich.

Tel: 958 69 31 59 (Spanisch)

 

Anfahrt:

Autobahnen:

A-92: Abfahrt bei Benalua auf die A-325.

A-44: Abfahrt bei Iznalloz auf die A-401, dann auf die A-325 Richtung Balneario de Alicun de las Torres.

Landstraßen GR 6100 und GR-6101 und A-325. Von Purullena Richtung Gorafe fahren.

Karte